Bangalore, die drittgrößte Stadt Indiens, erwartet uns. Am 22. Dezember stehen wir mit vollen Rucksäcken im Bahnhof und sind froh über Seetha und Shankar, die uns zum richtigen Bahnsteig lotsen. Tamilische Durchsagen kommen knisternd aus dem Lautsprecher, diverse Gerüche steigen uns in die Nase und obwohl es schon spät am Abend ist, ist der Bahnsteig voller Menschen.
Mit etwas Verspätung rattert er ein, unser Zug. Wir verabschieden uns von den beiden und steigen ein. Ein enger Gang liegt vor uns, gesäumt von kleinen Abteilen, in denen sich 6 Schlafliegen befinden. In Indien gibt es drei verschiedene Zugabteile: in 2nd und 3rd AC ist eine Klimaanlage vorhanden, Decken, Laken sowie Kopfkissen werden gestellt, es gibt Vorhänge an den Schlafliegen. In der SleeperClass ist anstelle der Klimaanlage ein Ventilator angebracht und es sind keine Decken, Kissen, Laken oder Vorhänge vorhanden.
Die meisten Reisenden schlafen schon, die anderen versuchen sich an uns und unseren Rucksäcken vorbei zu drücken, während wir uns fragen, wie wir wohl auf unsere Liegen kommen. Gebucht haben wir die mittlere und oberste Liege. Unsere Rucksäcke wollen wir sicherheitshalber nah bei uns haben, also werden sie kurzerhand nach oben geworfen. Es gelingt uns, unsere Liegen zu erklimmen und daraus mit Laken, Schlafsäcken, Kissen und Rucksäcken Schlafstätten in der 3rd AC zu errichten. Nach einer kurzen Nacht klingelt der Wecker, dass wir unseren Ausstieg in Bangalore nicht verpassen.
Wir steigen aus dem Zug. Es ist sehr früh am Morgen, aber das scheint niemanden hier zu stören. Es herrscht ein buntes Treiben am Bahnsteig, unzählige Gerüche steigen uns in die Nase und wir sind mittendrin im Geschehen. Wir lassen uns mit der Masse zum Ausgang treiben, wo wir sofort von unzähligen Rikshaw-Fahrern in Empfang genommen werden. Wir nennen die Adresse unseres Hotels und bekommen Preise geboten, denen keine Grenze nach oben gesetzt zu sein scheint. Etwas überrumpelt von dem hektischen Treiben am Bahnhof, der Lautstärke, die hier schon früh morgens herrscht, und den diskutierfreudigen Rikshaw-Fahrern lassen wir uns schließlich auf einen viel zu teuren Preis ein, wie wir später im Hotel erfahren, aber das entschuldigen wir einfach mit unserer Müdigkeit.
Die Mitarbeiter im Hotel sind ausgesprochen freundlich, es herrscht eine schöne Atmosphäre und wir fühlen uns wohl. Die Zimmer mit eigenem Bad sind schön und nach indischen Kriterien sauber und auch das Frühstück ist sehr lecker. :-)
Wir freuen uns riesig über das Wiedersehen mit Ronja und Johanna von REAL und Annik und Lena von JKS. Die erste Zeit verbringen wir auf dem Zimmer um uns auszutauschen, immerhin haben wir uns jetzt für eine längere Zeit nicht mehr gesehen und es gibt viel zu erzählen. Doch lange hält es uns nicht im Hotel. Wir wollen Bangalore entdecken. Ein kleiner negativer Aspekt unseres Hotels ist seine Lage etwas außerhalb der Innenstadt. Darüber freuen sich die Rikshaw-Fahrer vor unserem Hotel, doch wir sind etwas handelfreudiger geworden. Wir haben uns im Hotel über gerechte Preise informiert und lassen uns nicht mehr so einfach über den Tisch ziehen – meistens jedenfalls.
Bangalore ist bekannt für seine IT-Industrie. Rundherum hat sich ein großes, westlich geprägtes Konsumangebot mit Einkaufszentren, Kinos und Restaurants entwickelt, welches wir in diesen Tagen zur Genüge auskosten. Wir gehen ausgiebig shoppen auf der BrigadeRoad, der berühmten Shoppingmeile Bangalores, erkunden die kleinen Gässchen der ´Commercial Street´ und kehren ein – in meist westliche Restaurants. Es ist toll, auch kleidungstechnisch ein bisschen mehr Freiraum zu genießen. Und so kommt es, dass wir uns mit Jeans eindecken und beschließen, Weihnachten in eben diesen zu feiern, um uns ein wenig 'deutsch' zu fühlen :-).
Den Weihnachtsmorgen verbringen wir in einer großen ShoppingMall und gönnen uns ein fabelhaftes westliches Mittagsmenü, Lasagne und mit Schokoladensoße überzogene Waffeln. Unser eigentliches Weihnachtsfest findet im Lal Bagh, dem Botanischen Garten Bangalores, statt. Bangalore selbst wird auch als die „Gartenstadt“ bezeichnet, weil sie für eine indische Stadt erstaunlich viele Parkanlagen besitzt.
Wir suchen uns einen kleinen Baum aus, den wir mit Kerzen, gebasteltem Weihnachtsschmuck und einem indischen Weihnachtsstern schmücken. Wir sitzen bei unserem Weihnachtsbäumchen, singen deutsche Weihnachtslieder und ernten viele neugierige Blicke von den vorbeilaufenden Indern.
Doch das Beste kommt zum Schluss: die Bescherung. Wir haben uns fürs Wichteln entschieden, einmal mit schönen Weihnachtsgeschenken, einmal Schrottwichteln. Beglückt über die schönen Geschenke und mit so manchem Plunder in der Tasche machen wir uns auf den Weg, um den Weihnachtsabend gemütlich in einer Cocktailbar ausklingen zu lassen.
Ein etwas anderes, aber sehr schönes Weihnachten, das wir nicht so schnell vergessen werden!
In Bangalore haben sich neben den Restaurants und Shopping Malls auch Pubs und Bars und ein vergleichsweise aktives – wenn auch nicht mit westlichen Verhältnissen vergleichbares - Nachtleben entwickelt, in dessen Genuss wir in den folgenden Tagen auch noch kommen.
Doch auch die kulturelle Seite unseres Aufenthalts darf nicht fehlen. Wir fahren zum Tipu Sultans-Palace, der außer seinem überteuerten Eintrittspreis nicht viel zu bieten hat genauso wie das nahegelegene Ford. Vom Bangalore City Palace sind wir hingegen wirklich begeistert und das nicht nur, weil wir durch unsere Verhandlungskünste den indischen Eintrittspreis bezahlen. Bei Sehenswürdigkeiten ist es oft der Fall, dass unterschiedliche Eintrittspreise für Einheimische und Ausländer gelten, deren Spanne meistens weit auseinander liegt.
Im Eintrittspreis inbegriffen ist eine Audiotour im Palast, die sogar auf Deutsch angeboten wird. Wir lernen viel über die die Geschichte der Stadt und des Palastes und erfreuen uns an einem kulturellen Programm, das wirklich viel Spaß macht. :-)
Viel zu schnell vergeht die Zeit in Bangalore, der Abschied naht. Johanna und Ronja werden wir im Januar wiedersehen, wenn sie uns in unserem Projekt besuchen kommen. Annik und Lena treffen wir auf unserer Reise im März.
Wir machen uns auf zum Bahnhof und hoffen, dass alles gut geht, dieses Mal müssen wir unser Zugabteil alleine finden. Es ist schon dunkel und eigentlich ist es nicht üblich, als Frau nachts allein unterwegs zu sein, vor allem nicht als weiße Frau. Der Bahnhof scheint nie zu schlafen. Auch am späten Abend herrscht noch ein reges Treiben und wir finden viele hilfsbereite Menschen, durch die wir letztendlich zum richtigen Zugabteil finden. Dieses Mal verbringen wir unsere Nachtfahrt in der SleeperClass.
Früh am Morgen kommen wir am Bahnhof Coimbatores an. Mit der Rikshaw geht es nach Hause, ins Abhaya, wo wir noch mal in unsere Bettchen fallen. Doch an einen langen Schlaf ist nicht zu denken. Es muss noch geübt werden, am nächsten Tag fahren wir ins KKID zur 'Childrens Trophy'. Das Ganze ist ein Wettbewerb um die sogenannte 'Karl-Kübel-Trophy'. Verschiedene Gruppen von Kindern aus ganz Südindien haben sich angemeldet und müssen viele kleine Wettkämpfe bestreiten, um die Trophäe gewinnen zu können.
Auch unsere Mädchen sind mit von der Partie und haben sich für verschiedene Kategorien wie Sport, Kreativität, Tanz und Gesang begeistert. Fleißig wird geübt und die Freude steigt auf die zwei bevorstehenden Tage.
Am Morgen des 30. Dezembers fahren wir mit einem Kleinbus in das nicht weit entfernte KKID, in dem wir bereits zwei Seminare mit den anderen Freiwilligen verbracht haben. Dort angekommen bekommt jedes Kind einen Wettbewerbsausweis. Wir beziehen unsere Zimmer und versammeln uns auf dem großen Hof, wo eine Ansprache und Begrüßungsrede die Wettkämpfe eröffnen.
Unsere Mädchen verteilen sich über das Gelände zu ihren jeweiligen Wettbewerbsorten.
Wir sind selbst als Jury an unterschiedlichen Stationen eingeteilt und es fällt nicht leicht, die Leistungen der Kinder zu beurteilen, jeder gibt sein Bestes.
Im KKID treffen wir Anna und Johanna, ebenfalls Freiwillige der Karl-Kübel-Stiftung, die in Vikasana, einem Kinderheim im benachbarten Bundesstaat, leben. Es ist schön, sich austauschen zu können und die Menschen kennenzulernen, mit denen sie jeden Tag zusammenarbeiten.
Nach zwei Tagen voller Wettkämpfe, Spiel und Spaß versammeln sich erneut alle im Hof um gespannt der Preisverleihung zu lauschen. Wir schneiden nicht schlecht ab, gewinnen 5 kleine Pokale und sind zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn es für die große 'Karl-Kübel-Trophy' nicht reicht.
Das ist aber nicht weiter schlimm, die Mädchen erwartet zu Hause eine eigene Trophäe, die 'Abhaya-Trophy', die von uns liebevoll gebastelt wurde. So gibt es noch eine ganz eigene, besondere Preisverleihung mit vielen klebrigen Schokobonbons.
Es ist der 31.Dezember, Silvesterabend. Wir teilen weiße Blätter aus. Die Mädchen dürfen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und ihre Wünsche für das neue Jahr in Form von Zeichnungen, Gedichten und Aufschrieben festhalten. Jede darf sich so viel Zeit nehmen, wie sie braucht und am Ende sammeln wir die nun farbenfrohen Blätter wieder ein, ohne dass sie jemand anderes zu Gesicht bekommt. Sicher verstaut liegen sie in Briefumschlägen in unserem Schrank und kommen erst bei unserem Abschied wieder zum Einsatz. Dann dürfen unsere Mädchen die kleinen Umschläge öffnen und nachsehen, welche von ihren Wünschen bereits in Erfüllung gegangen sind.
Wir möchten den Mädchen dadurch ein bisschen Privatsphäre ermöglichen, auf die in Indien meist nicht so viel Wert gelegt wird und die auch hier im Abhaya nicht sehr ausgeprägt ist, da alles auf sehr engem Raum stattfindet und kaum Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sind.
Nach unserer kleinen Bastelaktion machen wir es uns gemütlich. Ice Age 2 flimmert über den Bildschirm und die Mädchen halten sich die Bäuche vor Lachen, wenn Sid, das kleine Faultier, seine Witze reißt.
Kurz vor Ende des Films schleichen wir uns in die Küche. Auf unsere Mädchen wartet noch eine kleine Überraschung – wir wollen ein deutsches Silvester-Dinner zaubern.
Wir machen Pfannkuchen mit Ahornsirup und Äpfeln. Zum Nachtisch gibt es Erdbeerpudding. Eine bunte Zusammensetzung.
Wir stehen in der Küche, bereiten Teig für über 30 Pfannkuchen vor und stellen fest, dass ein Schneebesen nicht zu unserer Kücheneinrichtung gehört. Genauso wenig eine Pfanne, eine Küchenwaage und ein Messbecher.
Nach über einer Stunde Teig zubereiten, Pfannkuchen auf dem Dosaiteller, eine Platte für die südindische Spezialität aus Reisteig, wenden und Pudding kochen können wir unser Dinner servieren und es scheint zu schmecken, was uns sehr freut, denn schließlich wurde alles mit Augenmaß abgemessen :-). Wir schauen in fröhliche Gesichter, die munter die Dinge auf ihrem Teller verspeisen. Und auch wir sind glücklich, über einen etwas anderen, aber sehr gemütlichen Silvesterabend und darüber, seit 4 Monaten wieder Pfannkuchen zu essen. :-)
Der Jahreswechsel wird in Indien nicht sonderlich groß gefeiert. Die Mädchen gehen wie an normalen Tagen um 22 Uhr schlafen und wir auf unser Zimmer. Wir haben eine Filmnacht für unser indisches Silvester geplant. Und so nimmt der Abend seinen Lauf. Kurz vor Mitternacht klettern wir auf das Flachdach des Abhayas, von wo man über das Dorf und die umliegende Gegend blicken kann. Pünktlich zum Jahresanfang sehen wir in der Ferne vereinzelt Feuerwerkskörper in den Himmel steigen, im Dorf bleibt es erstaunlich ruhig bis auf ein paar Jugendliche, die durchs Dorf ziehen und den wenigen Menschen, die sie treffen, ein frohes neues Jahr wünschen. Wir kehren zurück ins Zimmer und widmen uns erneut unseren Filmen.
So starten wir ruhiger als gewohnt, aber trotzdem erfolgreich ins neue Jahr. Und mit Dinner for One über Youtube fühlt sich das eigentlich ziemlich gut an. :-)
Alles Liebe, Mona und Lena
Ähh Mona ??? Kennst du mich noch haha ?? Krass das du in Indien bist =)
AntwortenLöschenGrüße
Sara
Hi Leni,
AntwortenLöschenwar mal wieder klasse Euren Blog zu lesen. Ich wünsch Dir noch eine gute Zeit mit Euren "sisters".
Liebe Grüße
Mamsn