Freitag, 30. September 2011

ein Eindruck.

Wir fahren zu einer „Tribalvillage“, zwei der Mädchen des Abhaya Student Shelters haben hier ihr ehemaliges Zuhause. Wir steigen aus dem Auto, die Landschaft ist wunderschön, überall sind Palmen und im Hintergrund kann man die Berge Coimbatores vernehmen. Die Häuser sind einfach, Steinhäuser mit Flachdach, manche weiß, andere sind außen mit blauer oder türkiser Farbe bemalt, die bereits abgeblättert ist. Ein zementierter Weg zieht sich durch das Dorf. Doch trotzdem wirkt alles sehr idyllisch, macht einen harmonischen und friedlichen Eindruck. Eine angenehme Brise weht uns ins Gesicht, es ist nicht so heiß hier oben, wie in der Stadt sondern angenehm warm, die Luftfeuchtigkeit ist geringer. Shanti und Sudha rennen auf uns zu, man will uns sofort das heimische Dorf zeigen. Shantis Mutter wird uns vorgestellt, sie sieht alt aus, mitgenommen, vom Leben geprägt. Der Blick ist träge, eingewickelt in einen blauen Sari macht sie einen erschöpften Eindruck. Wir erfahren, dass sie krank ist, nicht schlafen kann seit Wochen. Woran das liegt weiß keiner. Dann lernen wir Shantis Schwester kennen, sie scheint älter als Shanti zu sein, lächelt uns freundlich aber zurückhaltend an. Ich mache ein Foto von beiden, zeige es ihnen, sie wackeln zustimmend mit dem Kopf, wir lächeln zurück. Man versteht sich auf diese Weise. Ein Mann, der noch jung zu sein scheint, kommt auf uns zu, aufgeregt, er erzählt uns viel, in seinem Redefluss können wir einige englische Wörter vernehmen. Wir erkennen, dass er sich vorstellen will. Er hat kaum noch Zähne, trägt ein zerrissenes Hemd und einen Lungi, einen knielangen Wickelrock, den man sich umbindet und der hier von vielen Männern getragen wird. Immer wieder wiederholt er einen Satz, will sich auf Englisch bekannt machen, greift nach unseren Händen. Wir sind etwas überfordert, doch in diesem Moment kommt unser Director. Wie aus Ehrfurcht schmeißt sich der junge Mann vor ihm auf die Knie, möchte ihm die Füße küssen. Unser Director zieht ihn hoch, lacht, sagt ihm, das sei nicht nötig. Wir beobachten.
Sudha möchte uns ihr Haus zeigen, beide eines unserer Mädchen an der Hand habend laufen wir ein Stück durchs Dorf. Blicke verfolgen uns, einige Ziegen kreuzen unseren Weg. Sie sind eine gute Investition für jede Familie, man verkauft sie, wenn das Geld aus ist oder nutzt sie zum Eigenverzehr. Eine alte Frau sitzt auf dem Boden vor ihrem Haus unter einem spärlich zusammen gebauten Blätterdach. Ihre Augen verfolgen uns interessiert, ihre Haut weist viele Falten auf, ihr Mund ist rot von Betelnüssen, die man hier als Alternative zu Zigaretten kaut. Wir grüßen sie auf indische Weise, mit gefalteten Händen vor unserer Brust. Erst jetzt lächelt sie. Man freut sich, wenn sich angepasst wird. Es geht weiter. Wir laufen durch einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern hindurch. Plötzlich Geschrei, ein Mann wirkt aggressiv und aufgebracht, eine alte Frau kreischt ihn empört an, er nimmt sich einen Backstein, hebt ihn zum Wurf an, andere Dorfmitglieder versuchen ihn zu beruhigen, man kann die Spannung, die in der Luft liegt förmlich spüren, es ist laut, wir fühlen uns unwohl, sind mittendrin, verstehen nicht. Shanti lächelt entschuldigend und ein wenig beschämt, sagt, wir werden uns das Haus nicht jetzt anschauen. Seetha ruft uns und wir drehen um. Mit einer braun-weiß gefleckten Babyziege auf dem Arm, kommt sie uns entgegen, damit wir sie streicheln können. Man versucht die Situation zu entschärfen und den Fokus auf etwas anderes zu lenken. Unser Director erklärt, man bekomme hier samstags das Gehalt und dann wird häufig zu viel getrunken. Die Situation kann außer Kontrolle geraten. Im Hintergrund ist es weiterhin unruhig, angespannt. Es ist ein seltsames Gefühl, eine befremdliche Situation. Die Kinder scheinen mit ihren 12 Jahren schon mehr durchgemacht zu haben als wir, die doch einige Jahre älter sind. Wieder kommt der junge Mann auf uns zu, will uns etwas zeigen. Während wir uns langsam zurück zum Auto bewegen, läuft er uns hinterher. Ein junges Mädchen nähert sich, auf dem Arm trägt sie ein Baby. Das Baby ist der Sohn des jungen Mannes, er ist stolz und präsentiert uns sein Kind, möchte ein Foto mit unserem Director machen, danach mit uns. In diesem Moment geht die Batterie des Fotos leer, ein wenig erleichtert gehen wir zum Auto, steigen ein, plötzlich bemüht man sich schnell zu fahren. Ein zweites Mal erklärt man uns ein wenig entschuldigend, das Samstag kein guter Tag ist für Besuche.

Wir fragen uns, wie viele unserer Mädchen wohl ein solches Leben hatten.

Freitag, 23. September 2011

Kühe, Kokosnüsse und Kinderlachen

Trotz Abschiedsstimmung ist es der Tag, den wir uns so lang ersehnt haben, es ist ein Gemisch aus Neugierde, Freude und auch ein bisschen Angst, schließlich wollen wir nichts falsch machen und der altbekannte Spruch: „Der erste Eindruck zählt“ liegt uns in den Ohren. Seit unser Ankunft in Indien ist es nicht einfach, alle Gefühle einzuordnen, die einen von morgens bis abends beschäftigen. Unser Director holt uns aus dem KKID ab, einen großen Jeep fährt er, wir laden unser Gepäck ein. Ein stummes Lächeln folgt, weil es - wie immer wenn man wegfährt - doch wieder sehr viel geworden ist. Dann das Verabschieden von den anderen Mädchen. Es fällt uns schwer, da wir eine sehr harmonische Gruppe geworden sind, aber wir helfen uns mit dem Gedanken, dass wir uns im November auf unserem Zwischenseminar wieder sehen. Und wieder ein Aufbruch in etwas Unbekanntes, Neues...


Nach ein paar Tränen und vielen Umarmungen fahren wir los und halten 20 Minuten später vor einem rosa Gebäude mit rosa Eingangstor, einstöckig, mit begehbarem Dach, auf dem man abends den Sonnenuntergang beobachten kann. Ein Schild mit der Aufschrift „Abhaya Students Shelter“ schmückt die Fassade, das ist also unser neues Zuhause für 7 Monate. Glücklich kommen wir an, hören Kinderlachen und die ersten Mädchen grinsen uns schüchtern an, wir lächeln zurück. Es ist wirklich ein kitschig-schöner Moment, der sofort ein Willkommensgefühl vermittelt. Wir stehen in dem kleinen Hof des Kinderheims, auf einer an der Außenmauer montierten Tafel steht groß: Welcome to Lena-Sister and Mona-Sister. Fast schon ein wenig sentimental begleiten wir die Kinder in den ersten Raum. Hier wird nicht nur gegessen, sondern auch gelernt, gespielt, gemalt, gebastelt und geschlafen.
Nithya und Sudha, zwei unserer Mädchen
Steckbriefe der 30 Kinder, die jetzt gespannt vor uns sitzen, hängen an den Wänden, sie sind vor allem eins: bunt, so wie eigentlich alles in Indien. Die Stühle, die sie uns hingestellt haben, lehnen wir dankend ab und setzen uns ebenfalls auf den Boden, um alles aus dem gleichen Blickwinkel betrachten zu können. Nach einer Vorstellungsrunde verteilen wir ein paar Geschenke. Es ist ein Dienstagabend voll bunter Tütchen Ahoibrause – manchen scheint es zu schmecken, manchen nicht aber das versuchen sie sich nicht anmerken zu lassen und wir hören aus allen Ecken ein fröhliches „Thank you sister!“.
Eine Woche vergeht, wir fühlen uns wohl, haben uns sehr schnell daran gewöhnt das Abhaya unser zu Hause zu nennen. Bis zum 1. Oktober ist Eingewöhnungsphase, einen geregelten Tagesablauf haben wir noch nicht. Morgens stehen wir auf, meistens zwischen 9 und 10, frühstücken gemütlich Toast, denn normales Brot gibt es hier nicht, mit Butter, Scheiblettenkäse und sage und schreibe Nutella – alles was wir in einem westlich orientierten Supermarkt einigermaßen heimisches finden konnten. An das indische Frühstück trauen wir uns noch nicht so ganz ran, es ist warm und vor allem scharf, Reis mit Soße. Lena probiert kurz, Reis mit Spinat, vielleicht nicht ganz so anders, wie der Rest des Essens doch selbst der Spinat hat eine Schärfe, die erst nach ein bis zwei Minuten im Mund verklingt.
Patti :)
Wir trinken Tee mit viel Milch und Zucker, Chai nennt er sich, und wird von unserer Köchin zubereitet, 2 bis 3 mal am Tag in einem 0,2 ml Becher. Wir mögen es und sie freut sich, eine alte Frau mit faltigem Gesicht und einem Dutt aus braunen und weißen Haaren auf dem Kopf. Sie lächelt nicht sehr oft, aber wenn doch, dann ist es immer wieder etwas Besonderes. Englisch spricht sie kaum, oft hört man sie mit leicht schriller Stimme rufen „TEAAA?“. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, lächeln viel, versuchen uns mit ein paar Brocken Tamil und nennen sie Patti, was Oma heißt. Mittags dürfen wir kochen, meist Nudeln mit Soße. Gemeinsam mit einigen der Staff Members, den Mitarbeitern des NMCT's, essen wir an einem Tisch im Nebengebäude, über uns ein Dach aus Holzbalken und Blättern.
Viji, unsere liebe Mentorin :)
Jeder bringt eine Kleinigkeit mit und man darf alles probieren. Es ist die Gastfreundschaft und die hohe Bereitschaft zu teilen, die uns auffällt und beeindruckt. Wir bieten unser Essen an, manche probieren, andere trauen sich nicht. Einen Salat aus Gurken, Tomaten und Karotten nennt Viji, unsere Mentorin und Erzieherin des Heims, Fruchtsalat, er ist zu süß, zu ungewürzt. Ob es Ihnen schmeckt, bezweifeln wir, Inder essen kein rohes Gemüse. Man warnt uns vor, dass wenn wir zurück sind alles sehr langweilig schmecken wird. Die Atmosphäre ist schön, man redet über viele Themen, ein Mix aus Tamil und Englisch, wir erzählen aus Deutschland, es wird gelacht als wir den indischen Verkehr anzweifeln und sagen, dass wir das Essen scharf finden.
Waschen



Waschen, die Zweite


Dann haben wir Freizeit, an manchen Tagen probieren wir uns im Waschen, wohlgemerkt mit der Hand. Mit drei Eimern und einer Tube Rei machen wir uns an die Arbeit. Einweichen, mit Waschseife beschmieren, auf dem Waschstein ausdrücken (oder Handtücher auch wahlweise auf den Waschstein draufschlagen :D), in klares Wasser tunken und auswringen und wieder von vorne. Wir stehen barfuß im Wasser, es ist anstrengend bei 35° C aber wir brauchen zum Glück nur eine Dreiviertelstunde. Dann ein Versuch das Zimmer zu putzen, ein indischer Besen aus einer Art Zweigen lehnt an der Wand, als wir ihn benutzen verfehlt er seinen Zweck und macht mehr Dreck als dass er sauber macht. Wie die Inder das hinbekommen ist uns ein Rätsel, aber wir können darüber lachen.



Dreimal waren wir bereits in der Stadt aber man muss sagen, Coimbatore ist nicht vergleichbar mit einer europäischen Großstadt. Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann, sind schwer zu finden und das Stadtleben zu skizzieren ist eine kleine Herausforderung. Es scheint nicht in verschiedene Viertel aufgeteilt zu sein, wie es uns bekannt ist, sondern die ganze Stadt ist eine ganze Zone, die alle Gesellschaftsschichten in sich zu vereinen scheint. So fahren wir vorbei an kleineren Hochhäusern, häufig bunt und mit Flachdach, moderne Gebäude reihen sich auf neben verfallenen Bauten, zwischendrin die Slums, kleine Hütten mit Blechdach, gekocht wird draußen, es sind Wäscheleinen zwischen den Hütten gespannt. Hausfassaden sind mit Werbung jeglicher Art behängt, in Tamil und in Englisch, alte kaputte Hütten tragen die große Aufschrift vodafone, große Plakate zieren das Stadtbild, darauf zu sehen sind Menschen mit heller Hautfarbe, die Jeans tragen. Werbung für Hautbleichungsmittel. Der Westen ist präsent. Viele Häuser sind offen, garagenartig, man kann hineinschauen und beobachten. Man sieht Menschen, die an der Nähmaschine sitzen, andere, die waschen, andere, die verkaufen. Was genau jeder verkauft, wissen wir nicht, das lässt sich nicht immer genau identifizieren. Dann Götterfiguren, kleine hinduistische Tempelanlagen und Andachtsstätten, Brahma, Shiva, Vishnu und wie sie alle heißen mögen, lächeln uns alle zwei Meter stumm an.
Kabelsalat
Die Hauptstraßen sind geteert und trotzdem voller Hubbel und Schlaglöcher, manchmal taucht eine Ampel mit einem 30 s – Zähler auf, der aber auch nicht immer beachtet wird, Straßenschilder gibt es kaum und auch Bürgersteige sieht man selten. Stattdessen geht die Straße in Sand über, auf dem sich Straßenstände aufreihen, Blumen, Früchte, Gemüse, warmes Essen, man scheint hier alles zu bekommen aber sollte besser nicht alles probieren. Männer schneiden Bananenblätter zurecht, man sieht Hühner in engen Käfigen, bewegen können sie sich nicht, daneben hängen geschlachtete Hühner an einer Leine. Stromleitungen sind ausschließlich überirdisch und die Konstruktionen sind teilweise sehr bedenklich. Dazwischen Palmen, eingebaut in die lebhafte Stadt. Und noch etwas fällt auf: Müllberge, überall. Es sind Massen an Müll, die am Straßenrand liegen, Müllcontainer sind eine Seltenheit. Den Gestank von brennendem Plastik hat man häufig in der Nase, das ist wohl die gängige Müllentsorgung. Es ist staubig, chaotisch, laut.
Traffic

Und auf irgendeine Art und Weise faszinierend. Der Verkehr scheint keinen Regeln zu unterliegen, es herrscht Linksverkehr. Das Klischee bestätigt sich, Kühe sind fast an jeder Straßenecke zu sehen, dann noch Hunde und Ziegen. Man sieht Fahrräder, Rikshas, Mofas (die hier ein typisches Familiengefährt zu sein scheinen, 4 Personen auf einem Mofa sind ganz natürlich), Ochsenkarren, riesige Lastwagen (die häufig die seltsamsten Dinge geladen haben und kaum gesichert sind – wir haben bereits einen Lastwagen gesehen, der unbefestigte Gasflaschen geladen hatte, auf die dauerhaft die Sonne geknallt hat) und überfüllte verfallene Busse – mit denen wir fahren. Türen gibt es keine, genauso wie Blinker. Biegt man ab, zeigt das der Busfahrer mit der Hand ab und es gibt häufig noch einen Busjungen/-mann, der diese Aufgabe ebenfalls übernimmt. Frauen sitzen vorne, Männer hinten, es ist voll und wir werden angestarrt.
Stadtimpression
Aber wir sind abgelenkt vom Verkehr, der für uns ein Rätsel ist und wahrscheinlich auch bleiben wird. Der Motor lärmt, es wird am laufenden Band gehupt. Warum weiß man nicht, vor dem Überholen, während dem Überholen, nach dem Überholen, vor dem Abbiegen, einfach so um zu zeigen, dass man da ist und eine Hupe besitzt, aus Spaß, aus Langeweile, aus Frust, aus Ärger, um anzudeuten, dass man jetzt losfährt oder das man die nicht vorhandene Spur wechselt, um jemanden zu verscheuchen, der zu langsam ist – wir spekulieren noch :D. Zweispurige Straßen werden oft zu vierspurigen gemacht, wir sind häufig an der Grenze gleich einen Unfall zu bauen, im letzten Moment wird ausgewichen. Unser Busfahrer fährt barfuß, neben dem Schaltknüppel ist ein kleines Loch im Boden, durch das manchmal Abgase in den Bus ziehen. Einen Fahrplan gibt es nicht, man weiß nie wie lang man wartet. Stress oder Ungeduld scheint man hier nicht zu kennen. Also bemühen wir uns, das auch hinter uns zu lassen. Eine uns völlig fremde Frau stellt Mona im Bus ihre Tasche auf die Beine, wir schauen uns an und sind verwirrt, müssen lachen, wie so oft in Indien. Es ist ein Überfluss an Eindrücken.

im Herzen von Coimbatore
In der Stadt laufen wir in eine kleinere Gasse, an der Seite reihen sich Männer auf, die an Nähmaschinen Kleider ausbessern. Viele kleine Läden, natürlich offen und ohne Türen, man ruft nach uns „madam, sister, come here“, es wird gelockt, wir versuchen es zu ignorieren und laufen weiter. Viji führt uns in einen Laden, wären wir alleine gewesen, hätten wir ihn niemals betreten. Über eine kleine enge Treppe kommen wir in einen Raum, in dem die Regale bis zur Decke vollgestopft sind mit Kleidern. Wir kaufen Chudidas, indische Oberteile, die über den Knien aufhören und in allen erdenklichen Farben und Mustern erhältlich sind. Kitschige Bordüren, häufig in Gold sind keine Seltenheit. In Deutschland völlig abwegig so etwas zu tragen, in Indien ganz normal. Und wir mögen es. Es macht Spaß, mal in eine andere Rolle zu schlüpfen. Aber warm ist es und wir müssen uns wohl oder übel daran gewöhnen. Man trägt lange Stoffhosen, alternativ auch Leggins, und längere Oberteile, die die Schultern bedecken sollen, dazu einen Schal. Pflicht ist es nicht, aber erwünscht von unserer Organisation und mittlerweile auch von uns, um fragwürdige Blicke zu vermeiden. Anpassung ist unser neuer Alltag und öffnet viele Türen. Ohrringe haben wir auch schon gekauft, groß, gold, glitzernd, auffällig, indisch.
Wieder auf der größeren Straße angelangt, machen wir uns auf den Weg in ein Restaurant, an uns vorbei laufen massenweise Menschen.
ordentlich bepackt
Ein Mann trägt ein beachtlich großes Paket auf seinem Rücken, ein kleines Mädchen starrt uns ungläubig an, wir winken aber es guckt nur verblüfft. Weiße sind hier nicht Gang und Gebe, Coimbatore ist keine Touristenstadt. Im Restaurant essen wir Nudeln, die uns an ein chinesisches Restaurant in Deutschland erinnern und wir werden fast ein bisschen sentimental.
Grape Juice















An einem anderen Tag nehmen uns der Director NMCT's und seine Frau Seetha, unsere Co-Mentorin und neben Viji unsere Ansprechpartnerin, mit auf eine kleine Kokosnussfarm, eine Außenstelle NMCTs. Zu siebt sitzen wir im Auto, mit dabei noch Seethas Onkel und zwei unserer Mädchen, die ihre Familien in einer Tribal-village für ein paar Stunden besuchen. Um dorthin zu gelangen, müssen wir über die Berge Coimbatores. Am Fuß des Berges halten wir an, ein kleiner Tempel, der die Größe eines Kiosks hat. Unser Director gibt eine Kokosnuss ab, Kerzen werden angezündet, Weihrauch oder etwas ähnliches durchströmt die Luft, der Mann im Tempel läuft einmal mit der Flüssigkeit in einer Schale um unser Auto herum. Es ist ein Mann mittleren Alters, roter Punkt auf der Stirn, barfuß, mit einem Rock bekleidet, über den ein beachtlicher Bauch ragt. Jeder von uns bekommt ebenfalls einen Punkt auf die Stirn gedrückt. Abschließend nimmt er die Kokosnuss und schmettert sie vor dem Auto auf die Straße. Wir sind gesegnet und dürfen nun den Berg überqueren. Befremdet und uns das Lachen verkneifend schauen wir uns an.
Coconut!
Auf der Kokosnussfarm probieren wir Früchte, die wir vorher noch nie gesehen haben, können den Geschmack nicht einordnen, laufen durch ein kleines Feld, Ameisen zerbeißen uns die Füße aber das ist in dem Moment eher Nebensache. Man pflückt extra für uns Kokosnüsse, ein alter Mann hackt sie mit einer Machete auf. Frischer Kokosnusssaft und glibbriges weißes Kokosnussfleisch. Nach vier Kokosnüssen lehnen wir dankend ab, da ist sie wieder, die Gastfreundlichkeit der Inder.
Erlebnisfahrt durch den Fluss









Ganz bekokosnusst machen wir uns auf den Weg zu dem Dorf, in dem unsere beiden Mädchen früher wohnten. Der Rückweg ist faszinierend, mit dem Auto überqueren wir einen kleinen Fluss, haben jeden Moment das Gefühl wir setzen auf einen Stein auf, ein paar Mal kratzt es unter uns bedenklich, das Wasser plätschert fröhlich vor sich hin aber wir schaffen es. 


Sind wir nicht unterwegs, kommen zwischen vier und fünf die Mädchen aus der Schule.
wir spielen Diddl auf dem Kaktus
Eine Stunde Freizeit haben sie, danach ist Studytime. Das indische Schulsystem fordert. Heute haben die Exams angefangen, das bedeutet, dass die Mädchen noch mehr lernen als sonst. Eine Woche haben sie jeden Tag eine Klausur. Ein Mädchen erklärt uns, sie freut sich darauf, denn nach dieser Woche sei es endlich vorbei. Irgendwie eine schöne Einstellung, die sie dem Leistungsdruck entgegen bringt. Wir helfen bei Hausaufgaben in Mathe und Englisch, bekommen selbst von den Kindern eine „Tamil-class“, die Landessprache im Bundesstaat Tamil Nadu, und üben uns im Schreiben dieser doch so fremden Sprache. In der freien Zeit spielen wir mit den Kindern, Diddl auf dem Kaktus und Moorhuhn Mau Mau sind die neuen Lieblingsspiele, die wir aus Deutschland importiert haben. Heimat verbindet sich mit Fremdem. Nicht immer versteht man sich, aber über die Grenze zwischen den zwei Kulturen lächeln wir hinweg. Spaß miteinander zu haben, funktioniert auch ohne sprachliche Verständigung.
Cycling Class mit den Mädels
Ansonsten geben wir fast jeden Abend eine „cycling class“ (es gibt für alles eine class), damit alle Kinder Fahrrad fahren lernen. Wir laufen durch das kleine Dorf, in dem wir außerhalb von Coimbatore leben, um zu dem Sandplatz zu gelangen, auf dem wir fahren können. Nachbarn jeden Alters beobachten uns, neugierig, fragend. Wir grüßen, sie nicken uns zu, freuen sich, lächeln, Nachbarskinder laufen uns hinterher. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder sich beim Fahrrad fahren gegenseitig helfen. Ausgeschlossen wird keiner.
Die Mädchen vermitteln vor allem eins: pure Lebensfreude. Sie sind liebenswürdig, hilfsbereit, fröhlich, freudig-aufgeregt, wenn sie uns Geschichten erzählen und unheimlich, gespannt, wenn sie uns zuhören, lebensfroh und unglaublich schnell im lernen. Es ist schwer, die schwierigen Verhältnisse aus denen diese Kinder stammen zu begreifen, wenn sie einen tagtäglich mit leuchtenden Augen anlächeln. Die Fröhlichkeit, die sie ausstrahlen und das Traurige, was doch ein Teil von Ihnen ist, erscheint uns paradox. Wir versuchen zu begreifen.
Drawing Class
Nach unserer Eingewöhnungsphase werden wir noch Englischunterricht geben, am Wochenende sind zusätzlich zwei Stunden für „skill-building“ bestimmt beispielsweise Malen.
Dunkel wird es hier bereits gegen halb sieben, Abendessen gibt es zwei Stunden später. Reis mit Sambar, Chutney oder Soßen aus Hülsenfrüchten. Vegetarisch. Während ich mich manchmal nach einem guten deutschen Schnitzel sehne, bleibt Mona noch tapfer. Vor dem Essen wird ein kurzes Gebet auf Tamil gesprochen und danach „piep piep piep, wir haben uns alle lieb“ gesungen und lauthals Guten Appetit gewünscht – eine Errungenschaft der vorherigen Freiwilligen, die hier ebenfalls 7 Monate verbrachten. Gegessen wird auf dem Boden und mit der Hand, wohlgemerkt nur mit der rechten, und wir üben fleißig uns nicht jedes Mal einzusauen. Die Art zu trinken ist für uns ebenfalls noch sehr fremd, der Durchschnittsinder kippt sich innerhalb von 1,5 s einen ganzen Becher Wasser in den Mund ohne dabei die Lippen anzusetzen. Auch hier scheint Übung den Meister zu machen.
Bis zehn ist noch Zeit zum Spielen oder Lernen, dann heißt es malai wanakkam (oder so ähnlich) für unseren kleinen schwarz-weißen Hund Pauli und unsere 30 kleinen Sisters. Manche schlafen in Betten, andere auf Matten auf dem Boden. Doch zufrieden scheinen sie alle zu sein.

Die ersten zwei Wochen Indien waren voller Reizüberflutungen aller 5 Sinne und noch darüber hinaus. Farben, Gerüche, Geschmäcker, es ist anders, beeindruckend, faszinierend, interessant und doch so unbekannt. Altes vermischt sich mit Neuem. Fremd und gleichzeitig willkommen sein. Sich anpassen und doch sich selbst treu bleiben. Aufnehmen ist die Devise – Eindrücke, Wahrnehmungen, Empfindungen. Alles auf sich wirken lassen. Viele Menschen laden uns ein zum Abendessen, zum Lunch, zum Kaffee, Neugierde prägt beide Seiten. Beobachten, integrieren, lernen. Strukturen entscheiden hier, Hierarchie prägt den Alltag und mittendrin sind wir, gliedern uns ein, versuchen ein Teil des Ganzen zu sein. Hinterfragen. Abends liegen wir lange wach, um all das zu verarbeiten und es fällt uns schwer, es in Worte zu fassen. Fotos können immer nur einen Bruchteil zeigen und Texte nur einen Eindruck vermitteln. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken. Wir hoffen, dass wir euch ein bisschen daran teilhaben lassen konnten.


Bis bald ihr Lieben, Lena und Mona.

India, here we are!

Nach tagelangem Warten, einigen Englisch-Tamilischen-Diskussionen und vielem Hin und Her halten wir ihn jetzt endlich in den Händen: unseren eigenen Internet-Stick! So kann auch nun unser erster Blogeintrag folgen…viel Spaß beim Lesen! :)

6. September – Frankfurter Flughafen: 
An besagtem Dienstag-Morgen versammeln sich die Bridge-Builder 2011, Freunde und Familien in Halle B am Frankfurter Flughafen. Man kann ab und zu ein Lachen hören, doch sieht man auch hier und da ein paar Tränen kullern. Es heißt Abschied nehmen für die nächsten 8 Monate!Vor uns liegt ein Lebensabschnitt, auf den wir uns alle riesig freuen - und doch haben wir uns in jenen Momenten ebenso gefragt: „Was mache ich hier überhaupt?“. Voll bepackt mit Koffer, Rucksack, Taschen und und und stapfen wir tapfer zur Gepäckaufgabe, darauf hoffend, dass man kein Übergepäck bezahlen muss…
Und dann stehen wir vor der Tür zur Sicherheitskontrolle. Jetzt wird es ernst: die Taschentücher werden gezückt, Abschiedsworte folgen und auf einmal stehen wir 12 Mädels hinter dieser Tür und wissen, jetzt geht es so richtig los. Hin und her gerissen, ob man weinen oder lachen soll, wird uns spätestens bei dieser Ansage klar, dass Lachen der bessere Weg ist: „Der Lufthansa-Flug nach Chennai ist ausgebucht. Die Fluggäste werden gebeten, nur ein Gepäckstück mit an Bord zu nehmen. Sollten Sie mehrere Gepäckstücke mit sich führen, bitten wir Sie, diese aufzugeben.“ Großes Entsetzen – wir hatten alle mindestens 2 Handgepäckstücke dabei…die wir dann doch alle mit an Bord nehmen konnten, wie sich später herausstellte!
auf gehts, ab geeeehts
Pünktlich 11:15 Uhr hoben wir ab in Richtung Indien. Dank der guten Film-und Serienauswahl von Lufthansa haben wir den 9 Stunden langen Flug gut hinter uns gebracht (an schlafen war nicht zu denken, dafür waren wir viel zu aufgekratzt!)
Um kurz nach Mitternacht hatten wir dann wieder festen Boden unter den Füßen: wir waren in Chennai. Das erste was uns auffiel, als wir aus dem Flugzeug stiegen, war der für uns unbekannte Geruch. Und die an die Wand gemalten Götter. Und die Passkontrolle, die einige erheiternde Momente mit sich brachte. (Warum manche an dem einen Schalter ihre Adresse und Telefonnummern angeben mussten und die anderen am anderen Schalter einfach durchgehen konnten, haben wir bis heute nicht begriffen!)
Ab zur Gepäck-Rückgabe. Dort haben wir auch die erste eindrückliche Begegnung mit indischen Toiletten gehabt…weiteres wollen wir nicht erläutern! Aber immerhin ist alles Gepäck angekommen.

In der Abflughalle auf unseren Weiterflug nach Coimbatore wartend, war auch wieder nicht an Schlaf zu denken. Wir waren nämlich die 2. Hauptattraktion nach dem Cricket-Spiel, welches auf dem großen Flachbildschirm lief, was uns wiederum etwas begriffsstutzig machte, da der Flughafen sonst nicht sehr komfortabel war. 12 schnatternde Mädels mit einem Haufen an Gepäck. Uns wurde gesagt, dass wir unser Gepäck um 3 Uhr aufgeben und dann einchecken könnten. Wir warteten sehnsüchtig darauf, dass die Zeiger endlich auf besagte Uhrzeit rückten. Doch was tat sich um 3 Uhr: nichts! 3:15 Uhr: nichts! 3:30 Uhr: der Flughafenangestellte schickte uns zum Gepäck-Durchleuchten.
Chennai Airport!
Doch wo war er nur, der Gepäck-Scanner? Als wir ungefähr 5x daran vorbeigelaufen waren, hatten wir ihn schließlich gefunden! Ein kleines Gepäckband in mitten der Halle, daneben ein Warnschild mit der Aufschrift „X-Ray“ sowie ein Stuhl und ein Tisch. 3:45 Uhr: Flughafenangesteller, der für den Scanner zuständig war, holt seine Zeitung. 4:00 Uhr: 12 deutsche Mädels sitzen auf ihren Koffern und starren auf den zeitgungslesenden Angestellten, um den sich jetzt noch weitere Angestellte versammelt hatten, die ebenfalls einen Blick in die Zeitung erhaschen wollten. Und dann ging es los!

Gepäck durchleuchtet, eingecheckt, noch eine Stunde warten und ab in den Flieger in Richtung Coimbatore. (Haben die ersten Bekanntschaften mit indischen Klimaanlagen geschlossen: die kühlen nämlich auf gefühlte -20°C, da bleiben Frostbeulen und Zähne klappern nicht aus!)
Und endlich waren wir an unserem 1. Ziel: Flughafen Coimbatore, wo uns Malathi mit einem breiten Grinsen erwartete. Malathi, unsere Mentorin der Mentorinnen, die wir in der kommenden Woche noch alle ins Herz schließen werden!
Magic Malathi


Mit einem privaten Kleinbus fuhren wir zum KKID (dem Seminarhaus der Karl-Kübel-Stifung in Coimbatore) und warfen neugierige Blicke in das Geschehen um uns herum. Obwohl alles neu, aufregend und superspannend war, konnten wir unsere Augen kaum noch offen halten. Immerhin waren wir seit 24 Stunden auf den Beinen.


Als wir im KKID ankamen, wollten wir einfach nur noch ins Bett. Doch davor durfte das Frühstück natürlich nicht fehlen.
KKID - Idylle
Eine Menge an unbekannten Dingen erhob sich vor uns auf dem Buffet und wir füllten ordentlich unsere Teller. Nach gefräßiger Stille folgten Ausrufe wie „Ahh, das ist ja scharf!“, „Was ist das denn?“ – „Weiß nicht, irgendwie nicht definierbar!“, … Sehr froh waren wir deswegen über die Bananen, die uns das Frühstück im wahrsten Sinne des Wortes versüßten.
das Frühstück des Todes ;)
Nach dem wir alle mehr oder weniger absichtlich das Mittagessen verschlafen hatten, führte uns Malathi durch´s KKID. Die ersten Moskito-Stiche folgten und wir sahen unseren ersten Pfau. Trotzdem war es noch unvorstellbar, dass das kein wunderbarer Urlaub ist, sondern für 8 Monate unser „Heimatland“. Nach einem langen Gespräch mit Malathi gab es Abendessen; außerdem folgten die ersten Mails und Anrufe nach Hause, nach denen wir totmüde ins Bett fielen.





Donnerstag, unser erster „richtiger“ Tag in Indien: nach einigen Begrüßungsreden von KKID-Mitarbeitern, Vorstellungen unsererseits, Gespräche über kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Indien, ging es nachmittags in eine Schule mit integriertem Kindergarten sowie eine Ziegelsteinfabrik.
Schon allein die Fahrt dorthin war spektakulär: mit drei Gelände-Jeeps ging es über kurvige, zum Teil unbefestigte Straßen oder durch seichte Gewässer in Richtung unseres Ziels.
Jeep-Tour

In der Kindergarten-Schule wurden wir neugierig beäugt. Nach einigen schönen Gesprächen und musikalischen Beilagen (If you´re happy and you know it, clap your hands…) folgte ein Rundgang durchs Dorf!
Dorfleben
Ein bisschen außerhalb führte uns Malathi zu einem wunderschönen Aussichtspunkt, an dem wir das erste Mal die wunderbare indische Natur erleben konnten.
Aussichtspunkt


Wir besuchten die Arbeiter danach in ihrem Dorf und wurden voller Gastfreundschaft auf ein Tee-Kaffee-was-auch-immer-Getränk eingeladen.
Hallo!
Wir wurden ausgefragt, durften Fragen stellen, durften ein Haus von innen betrachten und lernten so die Lebensweise in einem indischen

Dorf richtig kennen.

Doch auch so etwas ist anstrengend! Also waren wir nach dem Abendessen wieder sehr froh über unsere Betten…


man beachte die Schuhe :)

Tribal village
Freitag-Morgen wurden wir unsanft durch das Weckerklingeln geweckt. 7:00 Uhr – die erste Yogastunde stand vor der Tür! Mit einer „Deep Relaxation“ konnten wir gut gelaunt nach dem Frühstück in den Tag starten. (So langsam haben wir uns daran gewöhnt – oder vielleicht besser gesagt: es akzeptiert! Trotzdem sind wir immer noch sehr froh über die Cornflakes, die Bananen und den Joghurt.)
Mit unserem kleinen Bus ging es los zu einer anderen NGO, die ebenfalls von der KKS unterstützt wird: das „Good Shepherd Health&Education-Centre“. Doch auf halber Strecke fing unser Bus ganz komisch an zu ruckeln: wir hatten einen Platten – und was für einen.
... Panne? unser "kleiner" Platten
Was nun? Malathi hatte einen guten Plan: spontan stiegen wir mitten auf der Straße in den nächsten öffentlichen Bus, der vorbeifuhr. Unser neuer Weg führte in einen nahegelegenen Tempel. Dort wurden wir das erste Mal mit den indischen Tempelritualen bekannt gemacht und haben festgestellt, dass uns diese Tempel-Welt doch etwas fremd ist.
ein hinduistischer Tempel

Unser Busfahrer hatte inzwischen die Reifen-Panne behoben, konnte uns vom Tempel abholen und sicher zum Ziel bringen. Dort wurden wir freundlich von den Good-Shepherd-Schwestern empfangen. Nach einigen Gesprächen und dem Mittagessen, durften wir das dort integrierte Mädchenkinderheim kennenlernen sowie die Näh-Werkstatt.
Bei den Good Sheperd - Sisters

Zusammen mit einigen Schwestern fuhren wir in ein abgelegenes Bergdorf, in dem man uns neugierige Blicke zuwarf. Mit Malathi als Übersetzerin entstand eine interessante Frage-und-Antwort-Runde, in der wir erfuhren, dass diese Menschen noch nie Weiße gesehen haben und unsere Hautfarbe erst für Make-up hielten.
Kakteen, Berge und wir
Als es dunkel wurde, machten wir uns auf den Rückweg. Der Busfahrer hatte eine geniale Idee: er drehte indische Musik auf und da unser Bus sogar mit einem Fernseher ausgestattet war, konnten wir die Videos dazu sehen. Vor allem eins der Videos führte zu allgemeiner Belustigung: ein Duett wurde in mitten einer verschneiten Berglandschaft gesungen!
Plötzlich wurde scharf gebremst, das Licht ausgeschaltet und wir befanden uns auf der Gegenfahrbahn. Was war denn nun passiert? „Elephant, Elephant – don´t make any noise!“, waren die Worte Malathis. An Stillsein war aber nicht zu denken: „WO?? Tatsächlich, er kommt auf uns zu!“, „Ich will ihn auch mal sehen!“, … ungefähr so drückten wir unsere Nasen am Fenster platt. Und tatsächlich: der Elefant kam direkt auf uns zu. Dass er immer näher kam, fanden wir irgendwann gar nicht mehr so toll, sonder eher mulmig, da die Dorfbewohner noch ungefähr eine Stunde zuvor geschildert hatten, wie sie von Elefanten attackiert worden waren. Auf einmal ein lauter Knall - in Schuss? Nein, nur ein Feuerwerkskörper, mit dem der Elefant von der Straße vertrieben wurde.
Ein prägendes Erlebnis, das natürlich jeder seinen Leuten zu Hause mitteilen wollte. Doch 2 Computer für 12 Mädels…das dauert! Als wir dann endlich an der Reihe waren, verfassten wir fröhlich unsere Mail. Plötzlich wurde es dunkel um uns herum, das Summen des Ventilators fiel aus…Stromausfall! Licht ging wieder an sowie der Ventilator, nur das Internet nicht! (…)

Samstag war großer Shopping-Tag angesagt: es ging nach Coimbatore-City und zwar mit einem öffentlichen Bus! Gut angekommen, mussten wir natürlich erst einmal Geld abheben, was sich als schwieriger als gedacht herausstellte, weil der Geldautomat leer war und nachgefüllt werden musste. Nachdem wir uns in einem Restaurant gestärkt hatten, ging es ans Klamotten kaufen. Etwas überfordert standen wir vor der riiiesigen Auswahl an Shalwars und Chudidars.
Nach 3 Stunden aussuchen, anprobieren, austauschen, zurücklegen und alles noch mal von vorne,
unsere neuen Errungenschaften! :P
hielten wir stolz unsere ersten indischen Outfits in den Händen!

Das musste natürlich erst einmal „gefeiert“ werden. Und das taten wir zusammen mit Malathi´s Familie, die in Coimbatore wohnt. Es gab Snacks, wir lernten die Nachbarn kennen und durften ihre Häuser anschauen. Doch das absolute Highlight: wir bekamen unser erstes Henna! Zufrieden, glücklich und erschöpft ging es wieder nach Hause, wo wir das E-Mail-Schreiben wieder in Griff nahmen. (Es hat funktioniert!)






Sonntag war eigentlich als großer Ausruh-Tag angekündigt. Doch es gibt wichtigeres: zum Beispiel Waschen lernen auf die indische Art und Weise!
Waschen à la India

Etwas durchnässt und mit ein paar Löchern mehr in der Kleidung waren wir nun bereit, unsere Mentorinnen zu empfangen. Die erste Begegnung mit Viji und Seetha verlief sehr gut! Es war sehr schön, endlich zu wissen, mit wem man in den nächsten 7 Monaten zusammenarbeiten wird. Natürlich interessierte uns alles über die Mädels, NMCT, unser baldiges Leben im Kinderheim, unsere Aufgaben dort…also wurde erst mal ausführlich gequatscht! Seetha musste sich leider am selben Abend noch verabschieden, doch zusammen mit Viji, den anderen Mädels und ihren Mentorinnen schauten wir abends noch den Film „Outsourced“ an, was sehr lustig war, weil er die Vorurteile der westlichen Welt gegenüber der Inder und andersherum aufzeigt.

Montag war zum Planen der nächsten Tage, unserer Eingewöhnungsphase, unseres Tagesablaufes etc. da. Gerade wegen ein paar sprachlichen Missverständnissen hatten wir sehr viel Spaß. Und dann hieß es: proben für die „Cultural Show“, die am Abend anstand.
Wie schon bei der Entsendefeier in Deutschland wollten wir unsere Sockenpuppenshow vorführen, sowie den Bridge-Builder-Song, einen indischen Tanz und ein selbstgedichtetes Lied. Alles war in Deutschland super angekommen – also freuten wir uns auf unseren Auftritt!
Beim Bridge-Builder-Song wurde nicht mitgeklatscht, dem selbstgedichteten Lied wurde still zugehört und auch bei der Sockenpuppenshow, die einen Lacher nach dem anderen in Deutschland hervorgerufen hatte, herrschte absolute Stille. Uns trafen fragende Blicke und wir konnten nicht ausmachen, ob ein paar Gesichter peinlich berührt aussahen…nur der indische Tanz erntete volle Begeisterung! Etwas enttäuscht zogen wir von der Bühne. Beim Abendessen schwankte die Stimmung von Enttäuschung um auf extreme Erheiterung und wir lachten uns den Frust von der Seele. Das tolle war, dass Malathi mit uns lachte und uns versuchte zu erklären, wie solche Show´s in Indien ablaufen. Tja, andere Länder – andere Sitten. Wir haben auf jeden Fall an diesem Abend viel über das indische Verhalten in der Öffentlichkeit und den Humor gelernt.
Wir  zwölf und Magic Malathi ;)
Für uns ist daraus ein noch sehr schöner und lustiger Abend geworden, an dem der erste Notvorrat (Nutella und Vollkornbrot) geschlachtet wurde. Der erst mal letzte Abend in der 12er-Mädelsrunde bis zum Zwischenseminar…

Der Dienstag war geprägt von Abschiedsstimmung. Die Direktoren der Organisationen kamen angereist, um uns abzuholen…