So langsam beginnen wir das Leben hier vorsichtig anzutasten. Die „window period“ ist vorbei und jetzt beginnt der wahre Alltag. Englischunterricht steht ab Oktober auf dem Programm doch nach einer Woche Examen haben die Mädchen erst einmal eine Woche Ferien. Aufgeregt erzählen sie uns bereits Samstags, dass sie morgen nach Hause gehen, hüpfen herum, schreien fast vor Vorfreude auf ihre Eltern, Geschwister und ihr altes aber doch so vertrautes Umfeld. Aber nicht alle der Mädchen können das von sich behaupten und zwischen den ausgelassenen Stimmen sitzen einige, die den Trubel zu ignorieren versuchen. 'No sister, I have no home'. Wir müssen schlucken. Dass einige der Mädchen Waisen sind, wussten wir aber es auszusprechen macht es irgendwie real und man hat nun ein Gesicht vor Augen, dass sich vorher hinter diesem Wort versteckt hat. Glücklich sind wir als am nächsten Tag doch jedes unserer Mädchen abgeholt wird, von Tante, Oma oder älterem Bruder. Stolz stellt man uns Eltern oder Verwandte vor, wir werden angelächelt, begrüßt und in diesem Moment bedauern wir es kein Tamil zu verstehen.
Das rosa Haus des Abhaya Students Shelter wirkt ein wenig verlassen ohne das Kindergeschrei und ohne all die zahlreichen 'good morning sister', 'good afternoon sister', 'good night sister' – Rufe. Doch auch wir lassen die Zeit nicht ungenutzt.
Limetten zerquetschen =D |
Puffed rice |
Lena macht Dosai! |
Mona beim Eröffnen der Zeremonie |
Office - Altar |
An einem anderen Tag fahren wir in die Nähe der Kokosnussfarm, dort soll ein neues Büro eröffnet werden, dass die Arbeit in dem Dorf der Ureinwohner zukünftig erleichtern wird. Es folgt eine ähnliche Prozession wie bei Pooja, auch hier ist ein kleiner Altar aufgebaut, und nach einer kleinen Überraschungsdusche, denn der Priester spritzt uns eine ordentliche Ladung Wasser ins Gesicht, verbringen wir den Tag mit den Menschen dort. Es ist heiß und wir setzen uns für einige Zeit an einen nahegelegenen Tümpel. Zurück geht es mit einem Jeep über die holprigsten Bergstraßen Coimbatores.
Hallo! |
Hochzeitszeremonie |
die Räucherbanane =D |
Wir sitzen auf dem Boden und schauen gespannt dem hochzeitlichen Geschehen zu, lauschen den Gebeten des Priesters, der es sich nicht nehmen lässt, zwischendurch mal ordentlich zu rülpsen. :-) Auch hier wieder ein Altar, der von unzähligen Früchten und Blumen übersät ist. Davor eine große Auswahl an Opfergaben und Geschenken für das Brautpaar. Dieses dekoriert den Altar mit rosa Blumenblättern, tauscht Blumenketten aus, entzündet ein Feuer in der Mitte des Tempels. Und wie immer können wir nur staunen über diese schöne aber doch so andere Kultur. Hinter einem alten Mann, der auf seiner Trommel den Takt vorgibt, umrundet die ganze Hochzeitsgesellschaft den Tempel, um dann den - unserer Meinung nach - besten Teil dieser Hochzeit zu vollziehen. Traditionell bekommt jeder Gast ein Gefäß gefüllt mit Wasser und gießt es dem Brautpaar über die Köpfe.
Dies ist ein Segen und drückt aus, dass man ihnen ein langes und frohes Leben wünscht. Bei rund 60 Gästen dauert das einige Zeit und hinterlässt ein völlig durchnässtes Brautpaar. Und wir fragen uns, wie das wohl ist, wenn 500 – 1000 Gäste eingeladen sind, was durchaus vorkommen kann bei einer jungen Hochzeit, wie Naga* uns mitteilt. Es wird sich überschwänglich für unseren Besuch bedankt und auch wir freuen uns, dass wir an der Zeremonie teilhaben durften und nun wieder um eine Erfahrung reicher sind. Nach etlichen Fotos mit den 'white girls', bei denen wir mal wieder feststellen, dass Inder auf Fotos nicht so gerne lächeln :-), und vielen Gesprächen mit den anderen Gästen über unsere Herkunft und das indische Essen, lädt man uns zum Mittagessen ein. Natürlich lehnen wir das nicht ab und nach einer sehr gequetschten Autofahrt aber einem netten Fahrer, der uns gleich in seine Bäckerei einlädt und uns die Geschichte von allen seinen Familienmitgliedern erzählt, führt unser Weg erst mal zu Nagas* Zuhause, da das Essen einige Vorbereitungszeit braucht. Wir essen Orangen und Granatapfel, lachen und unterhalten uns lange mit Naga*. Als wir sie fragen, ob sie Kinder hat, erzählt sie uns ihre Geschichte. Sie verlor nicht nur ihren Mann sondern auch alle ihre Kinder durch Herzversagen oder ähnliche Schicksalsschläge. Trotz diesen schrecklichen Dingen, die ihr widerfahren sind, ist sie eine starke Frau, die ihre Aufgabe gefunden hat und ihr Leben auf eine faszinierende Art und Weise regelt. Wir bewundern sie dafür!
die traditionelle Hochzeits'dusche' =D |
Nach einem kurzen Mittagsschlaf auf dem Boden ('you sleep now!' :-)) erwartet uns ein üppiges Mittagessen im nahegelegenen Haus des Brautpaars. Während wir essen, erzählt man uns, dass einige Wochen zuvor eine Schlange ins Haus gekrochen sei und zeigt uns stolz Fotos des kleinen Sohns, der sie wie eine Trophäe in der Hand hält. Wir werden gefragt, ob wir Schlangen in Deutschland essen und etwas verblüfft über diese Annahme klären wir die vielen fragenden Gesichter lachend über die deutsche Esskultur auf. Die indische Gastfreundlichkeit beeindruckt uns wieder einmal aufs Neue, die Herzlichkeit und Wärme mit der man seinen Mitmenschen hier begegnet. Wir fühlen uns wohl bei diesen Menschen, die uns so entgegen kommen.
Naga* und wir |
Wir geben unseren ersten Englischunterricht, ohne Buch, ohne Blätter zum Austeilen, ohne Vokabellisten. Eine Herausforderung, die viel Kreativität fordert und eine Menge Spaß mit sich bringt. Ein weiteres Projekt auf unserer Oktober To-do-Liste ist das Gestalten von 1000 Weihnachts- und Neujahrsgrußkarten für Deutschland. Um schöne Motive zu erhalten, geben wir 'drawing classes' zu verschiedenen Themen. Diese werden dann eingescannt, vervielfältigt, ausgedruckt und auf die Grußkarten geklebt.
Eine Arbeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt aber wie immer steht man uns auch hier hilfsbereit zur Seite... :-)
we'd like to thank you for the invitation to your home, for your hospitality and the open dialog. We are very happy that you offer us so many possibilities to get an insight in the Indian culture. It is a pleasure for us to be here in Abhaya and to get your encouragement. We can talk to you everytime if there is any need and that makes us feel that we are in good hands. Thank you!
Seetha |
Sankar |
Dear Viji,
we are glad to have you as our mentor. Thank you for all the answers you give us to our questions, for your support and help. We always have a lot of fun with you and we hope that our Tamil improves soon ;-) We are looking forward to all the special moments we will spend with you in the next months especially on Deepavali!
Dear Naga*,
we are very thankful for all the new impressions we got on the marriage. Thank you for attending us, we enjoyed the day with you a lot!
Bis zum nächsten Mal :-) |